30.04.2024 Von Lavra nach Rates, vorbei am Friedhof der überfahrenen Pilger

Ich werde früh wach, halb sechs im restlichen Europa, halb fünf hier. Ich muss das Zimmer räumen, und die Sachen die ich nicht mitnehme im Auto lassen.
Frühstücken werde ich unterwegs, aber für die Zeit bis dahin mache ich mir ein paar Knäckebrote und Ingwer Tee.

Ich seh aus dem Fenster, es ist dunkel und nass.

Ich bin keine 100 m gegangen, da stelle ich fest, es nieselt und der Wind treibt den leichten Regen überall hin.
Also die Regenjacke auspacken und anziehen. Die Wanderkappe verschwindet unter der Kapuze.
Die hölzerne Uferwanderweg ist oft baufällig, es gibt manchmal Markierungen, oft aber nicht. Trittsicher ist man auf dem feuchten Holz auch nicht immer. Und es ist finster..

Einige Abschnitte sind gesperrt, zu baufällig.

Es wird langsam hell, und bei Areia hab ich die Option an Strand entlang, oder entlang der Straße weiter im Landesinneren zu laufen.
Ich wähle den Küstenweg – was ein Fehler war. Der Weg ist zum Teil komplett unter dem Sand, und ich muss durch nassen schweren Sand laufen.
Wieder sind Teile der Holzkonstruktion abgesperrt, und die Umleitung führt durch nassene Sand.
Das strengt unnötig an!

Es regnet stärker, aber ich hab Rückenwind. Nur wird alles von hinten nass. Die Hose hält einiges ab, aber das Wasser kommt durch, und läuft an den Waden entlang in die Wandersocken. Das Regenwasser sammelt sich in den wasserdichten Schuhen.

10 km habe ich, noch 16 km.
Der Weg ist alles andere als schön. Es regnet immer noch.
Wirklich unschön ist, dass die Häuser hier keine, oder defekte Dachrinnen haben. Die Bürgersteige sind schmal, und dicht an den Häusern. Der Regen vom Dach kommt gesammelt auf den Gehweg runter, und so bekommt der büßende Pilger noch mehr Wasser ab als nötig. Weicht man auf die Straße aus, wird man ggf. von einem rasenden Kleinwagen erwischt – und der Scheibenwischer wirft den Pilger dann locker in die Gosse.

Je älter und kleiner das Fahrzeug, um so schneller sind sie unterwegs. Die Strassen bestehen hier überwiegend aus kleinen Kopfsteinpflaster, mit vielen Unebenheiten. Das ist sehr laut. Ich denke die rasen hier so, weil die Räder mit den kaputten Stossdämpfer ab 70 km/h mehr in der Luft sind als auf der Straße. Das wird komfortabler sein.

Schließlich erreiche ich Vila do Condo, wo ich über den Fluss muss. Von den Jacobsweg -Wegzeichen finde ich nur wenige, entweder gibt es sie kaum, oder ich seh sie nicht. Laut Reiseführer gibt es ab der Brücke drei Optionen die man laufen kann.
Zwei sollen wegen der engen Straßen und schnell fahrenden Autos gefährlich sein. Ich hab gestern Abend versucht, die ideale Strecke, die im Reiseführer beschrieben ist, irgendwie in Google Maps nachzuvollziehen. Keine Chance.
Also folge ich dem Track den ich herunter geladen habe. Der führt mich entlang eines Viadukts, und einem Friedhof mit Pilgergräbern vorbei. Wurden alle überfahren 😔

Bis hier hatte ich keine Sitzgelegenheit gefunden, aber ich brauche eine Pause. Der Rucksack zieht ganz schön nach unten.
Ich finde eine Steinplatte unter dem Viadukt neben dem Friedhof.

Weiter geht es. In der Karte hab ich ein Café gefunden, das nehme ich. Warm, trocken, guter Espresso und ein Schoko Croissant. Schinken wäre mir lieber, aber eine Pilgerwanderung ist keine Vergnügungsreise.

Ich denke ich liege gut in der Zeit. Ich bin bis jetzt 14 km gelaufen, noch ca. 12 km liegen vor mir bis Rates. Das schaffe ich.
Nach dem Kaffee, den ich zusätzlich zum heftigen Espresso auch noch bestelle.

Um 10:00 hab ich das warme trockene Café verlassen, die Leute laufen hier mit Regenschirme herum.
Was man für ein bisschen Vergebung alles tun muss…

Es geht weiter, und wird nicht besser. Rechts und links der Straße Mauern. Ein ca. 20 cm breiter Streifen neben der durchgezogenen Linie die die Straße vom Gehweg abtrennt, ist der Pilgerweg. Man ist gut beraten keine Kopfhörer aufzuhaben, um Busse und LKW kommen zu hören. Sonst ist das Hörbuch das letzte was man hören wird, bevor man neben dem Viadukt landet.

Und Tatsache ist auch, der Weg ist nicht schön!

Als es aufhört zu regnen mache ich noch eine Pause und schreibe diese Zeilen. Wenn mich einer dieser irren portugiesischen Rennfahrer erwischt, ist es zeitnah zu diesem Bericht 😎.

Es regnet wieder, ich gehe weiter. Der Weg wird nicht besser. Und wieder hätte ich den Weg ohne den Track in der App nicht gefunden.
Die Wegausschilderung ist lausig. Alles was ich an Webweisern gefunden habe, habe ich fotografiert.
Die spärliche Beschilderung mag daran liegen, dass dies die Verbindungsstrecke ist zwischen dem neuen Küstenpilgerweg, und dem alten Pilgerweg im Landesinneren. In Vila do Condo hab ich den Küstenweg verlassen.

Ich laufe noch ein ganzes Stück durch Regen und Wasserfontänen von Autos bis Arcos. Dort finde ich am Ortseingang ein Hinweisschild auf ein Pilger Restaurant, 200 m hinter der Kirche.

Unterwegs sehe ich viele Schnecken. Als ich gestern zu Mittag den Salat gegessen habe, waren etliche Gerichte auf der Karte mit Schnecken. Ich hab eine Tupperdose dabei, vielleicht sollte ich die einsammeln und im Restaurant abgeben. Keine Ahnung, ob man so was als Pilger macht – aber versuchen könnte ich es.

Ich komme gut voran, und könnte auch 30 km am Tag schaffen. Bisher keine Probleme, aber ich hab noch nicht nachgeschaut wie es unter den Socken 🧦 aussieht. 😳

Aber nun gibt es erstmal ein Mittagessen. Ich esse nicht viel, morgens Knäckebrot, mittags Salat. Meine Frau hat letztens gesagt, ich bekäme einen Bauch. Sie hat mir ein paar Tage später 1 kg Stollen in mein Büro gestellt. Ich denke das baue ich hier ab. Ich musste den Rucksack schon enger schnallen.

Ich hab hier auch einen Stempel bekommen.

Das Restaurant wird voller. Eine Gruppe mit drei Frauen, eine weitere mit Mutter und Tochter. Sie versuchen was zu essen zu bestellen. Komplizierter geht es nicht. Die eine (rothaarig) will erst sehen wie es aussieht, sie nimmt also ihre Mitpilger als Versuchshasen. Die anderen essen dann irgendwas aus Tüten. Muss wohl gesünder sein.
Sind Deutsche…


Laut App habe ich 24 km zurückgelegt, und es ist 12:00. Die Unterkunft wird noch geschlossen sein, ich meine die öffnet erst um 16:00. Wahrscheinlich brauchen die so lange zum Lüften der Hütte.
Für morgen ist eine Etappe bis Barcelos geplant, 15 km. Übermorgen eine Etappe von 19 km. Wenn ich wieder früh loskomme, könnte ich das schaffen. Mal sehn, was es für Möglichkeiten gibt dazwischen zu übernachten.

Ich laufe weiter Richtung Unterkunft, die ich um 14:00 erreiche.

Das Hotel ist auf, und ich checke ein. Die Empfangsdame spricht nur portugiesisch, aber hat so was wie Google Translator. Nur ist das irgendwas anderes. Portugiesisch – Deutsch ist zu verstehen, nur die Spracherkennung deutsch versteht was vollkommen anderes als ich gesagt habe. Sie schreibt den Text auch noch, so dass man das Missverständnis schnell sehen kann.
Auf jeden Fall bekomme ich noch einen Stempel und ein Zimmer mit einem relativ schmalen Doppelbett.
Irgendwie hat die Rezeptionistin was gesagt von Männer- und Frauenzimmer. Ein nach mir einchendes Ehepaar wird getrennt, und ich dachte ich bekomme ihn mit auf mein Zimmer. Aber er muss wohl in den Keller.
Noch habe ich das Zimmer für mich alleine. Bei einchecken hat Empfangsdame gesagt, dass ich nachher zum Stempeln und bezahlen kommen soll.
Ein Deutscher versucht mit der Dame zu klären, ob er ein Doggy Bag bekommen kann, da Frühstück ab 07:30 für ihn zu spät ist. Für mich auch. Die Dame schlägt 07:15 vor, wo ein warmes Brot mitnehmen kann.
Ich bekomme meinen Stempel, und muss 40€ in cash bezahlen. Sie fragt, ob ich ab 07:30 frühstücken möchte. Ich sag ich werde eher starten, worauf ich 5€ zurück bekomme.

Als ich ins Zimmer kam, wurde das Licht eingeschaltet, da es darin stockfinster war. Ich klappe Fensterläden auf, die Innen sind. Nach 30 Minuten weiß ich, warum die zu waren. Die Fenster sind seit der Erbauung des Gebäudes nicht erneuert worden. Es pfeift mächtig rein, und wird lausig kalt. Also wieder zu.
Es gibt eine Heizung, aber die ist aus. EU Verordnung, wir sollen alle erfrieren..

Fazit:
gelaufen bin ich laut Aufzeichnung über 29 km. Das sind 3 km mehr als in der Planung. Ich scheine wohl ein paar Mal vom rechten Weg abgekommen zu sein. Aber ich bin hier. Körperlich merke ich nichts. Wegen des schweren Rucksack muss ich ein paar Pausen einlegen. Weil er beim langen Tragen doch etwas drückt.
Bewährt hat sich meine Wanderhose, die sehr schnell wieder trocken ist, ohne dass ich auskühle. Auch die Goretex Regenjacke ist gut.
Es wäre wahrscheinlich klug gewesen, den Poncho den ich habe gleich zu Regenbeginn angezogen zu haben. Der deckt auch den Rucksack ab. Der ist zwar nicht durch nass, aber feucht und klamm.
Bewährt hat sich die klein Iso Sitzmatte. So konnte ich mich ein paar Mal trocken hinsetzen.

Das Wetter morgen sieht nicht viel besser aus als heute. Mal sehn.

Eigentlich war ich für heute fertig.
Aber das ich noch einen Blick hinter die geschlossenen Klappläden geworfen. Und die Sonne scheint. Kaum zu glauben. Also zieh ich die Schuhe noch mal an, und gehe raus:

Rates ist ganz nett – wenn die Sonne scheint.

Als ich durch Rates laufe, sehe ich eine Bar. Am Fenster sitzt ein Mann, der hat so was wie eine Milchkanne vor sich stehen.
Ich bin neugierig, gehe rein und frag ihn was das ist. Er sagt: Ein Bier
Was hab ich gemacht?

Bier aus einer Alu-Milchkanne. Halleluja, das Ding bleibt kalt und schmeckt.

Wo ich hier in der Sonne sitze, hab ich noch eine Ergänzung zu meiner Unterkunft Buchung von gestern.
Ich hab ein Zimmer in Rates gesucht, und auf booking und Airbnb nichts gefunden. Eine Google Maps Suche zeigt im Ort ein Hotel mit Namen „Casa do Vila Guest House“, das vom 30.04. auf den 01.05. ein Zimmer für 85€ hat. Schon teuer, aber bevor ich gar nichts habe, nehme ich das.
Für die Buchung muss ich mich bei einem Portal „

Agoda“ anmelden. Na gut, wenn es nicht anders geht.
Ich buche ein Zimmer, und da steht plötzlich „in 2 Tagen sind sie hier“. Zwei Tage ist falsch, also zurück, und vor der Bestätigung das Datum geändert. Gebucht, und was steht da? 01.05. auf 02.05. Stornierungsgebühr 85€. Was für ein Mist!
Das ist ein erheblicher Anteil meiner Rente!
Irgendwie schaffe ich es, Kontakt mit dem Hotel aufzunehmen. Die sagen ich soll stornieren. Ich frage wieso, das Geld ist so oder so für mich weg. Man verspricht mir, das Geld zurück zu erstatten. Also storniere ich, wenngleich ich es kaum glaube. Das Portal bekommt auf jeden Fall eine schlechte Bewertung.
Das 85€ Hotel ist um die Ecke von der Milchkannen Bier Bar.
Also bin ich dahin. Ich sehe es in Google Maps, bin aber zweimal daran vorbei gelaufen:

Das Hotel sieht von Außen nicht besser aus als meine 35€ Unterkunft, auch wenn ich das Risiko habe noch einen Kerl in mein Bett zu bekommen.

Die Milchkanne beginnt zu wirken.

Wie weit laufe ich nun morgen? Ich hab nach Unterkünften gesucht, und eine bei Airbnb in Poiares, kurz vor Ponte de Lima gefunden.
R. de Rosende 668, 4990-683 Poiares, Portugal
Laut Google Maps 30 km – das sollte zu schaffen sein.

Dann bin ich morgen in Ponte de Lima, oder kurz davor. Von da aus sind es noch 50 km bis Tui in Spanien.

Die Milchkannen Bar Tour:

5 Kommentare zu „30.04.2024 Von Lavra nach Rates, vorbei am Friedhof der überfahrenen Pilger“

  1. Hallo Ralf
    Das ist ja bis jetzt eine
    erlebnisreicher Wanderstrecke. Dann noch der Regen! Das ist ja Buße tun, pur! Hoffentlich wird das Wetter und der Pilgerweg in Spanien besser. Das wünsche ich dir!
    Du bist ganz schön jäh!
    Wünsche dir eine gute Nacht und schlaf gut
    Mutter

    1. Vermisst du mich schon als Schlafpartner?😁 Wir hatten heute ohne Buße 27Grad. Hut ab vor dem Regenmarsch. Drücke die Daumen dass das Wetter gnädiger wird.

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